Benjamin Dittrich

Random Rules
12.10. – 8.11.2019

Benjamin Dittrich, Stefan Guggisberg, Martin Reich und Simon Rübesamen

Benjamin Dittrich – Die Himmel erzählen
2019, Lack auf Leinwand, 165×115 cm
Martin Reich – Ohne Titel (aus: debris)
2002-2019, Handabzug auf Barytpapier,
50,8×61 cm
Martin Reich – Ohne Titel (aus: debris)
2002-2019, Handabzug auf Barytpapier,
50,8×61 cm

Ordnen, schichten, sortieren – das Tolle an künstlerischer Praxis ist, dass ihre Möglichkeiten begrenzt sind, alle Teilnehmenden aber ständig daran arbeiten, diese Grenzen zu erweitern.
Dabei entsteht ein stetiger Prozess der Ermöglichung neuer Formen und deren Ordnungen. Was daran so toll sein soll, erklärt sich bei einem Blick auf zwei verschieden platzierte Schraubenzieher. Ein roter Schlitz-Schraubenzieher befindet sich auf der Erde, in der Hand eines älteren Menschen. Die Zahl seiner Einsatzmöglichkeiten ist sehr groß: Schrauben drehen, Büchsen öffnen, Farben vermischen, Schriftzeichen einritzen und eben indefinit mehr. Hingegen schwebt ein grüner Schraubenzieher, Kreuzschlitz, Lichtjahre entfernt vom nächsten Gegenstand im Weltall. Zwar sind dessen Einsatzmöglichkeiten genauso indefinit, aber sie sind in ihrer derzeitigen Anzahl offensichtlich wesentlich kleiner, da mit jedem Interaktionsobjekt die Anzahl der Möglichkeiten der Verwendung steigt.
So unvorstellbar, wie die kommenden Einsatzmöglichkeiten des roten Schraubenziehers sind, so unvorstellbar sind dementsprechend die Entwicklungen der bildenden Kunst, denn jeder Form- und Ordnungsvorgang künstlerischer Praxis erschafft einen neuen Anknüpfungspunkt. Wer jetzt noch daran zweifelt, was den Spaß produziert, den künstlerische Praxis für alle Teilnehmende, also Künstlerinnen und Beobachterinnen, ausmacht, sollte sich zusätzlich kurz das Bild einer Glückspielerin vor Augen rufen, die sich freudvoll dem Zufall übergeben hat. Dieser Moment des Hoffens auf das Eintreten einer Ordnung – ohne dass deren kausalen Zusammenhänge nachweisbar wären – und das Glücksgefühl, wenn eine funktionierende Ordnung der Formen dann tatsächlich eintritt, lassen bekanntlich einiges an Begeisterung entstehen.
Künstlerische Praxis, so wie Benjamin Dittrich, Stefan Guggisberg, Martin Reich und Simon Rübesamen sie durchführen, ist also immer auch die Freude daran, dass Menschen es geschafft haben, so viele Möglichkeiten zu eröffnen mit einem Schraubenzieher umzugehen – oder eben aus verschiedensten Materialen und Quellen wiederum künstlerische Werke zu schaffen. Dies entspricht dabei der Freude am Zufall, am Eintreten von (noch) Unerklärlichem, am Verzicht auf kausale Zusammenhänge in der ästhetischen Produktion. Dass diese Prozesse immer so weitergehen könnten, sich aufeinander aufbauend immer weiter potenzierend, sie vielleicht nur genauso endlich sind wie das Universum, das ist doch irgendwie umwerfend, oder?

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Johannes Listewnik

Simon Rübesamen – Ohne Titel 2018, Holz, Lack, Silikon, Kunstharz, 120×20×20 cm
Stefan Guggisberg – ohne Titel (Bronze)
2019, Öl auf Papier, 30×25 cm

Stefan Guggisberg – ohne Titel (aus der Arbeit „Wärme“)
2018, Öl auf Papier, 65×50 cm
Benjamin Dittrich – DSDU
2019, 12 Linoldrucke, je 60×42 cm
Benjamin Dittrich – DSDU09
2019, Linoldruck, 60×42 cm
Dünner Pelz
14.4. – 12.5.2018

„Die Welt in der wir leben“
ist eines der Bücher, aus denen Benjamin Dittrich seine Bilderwelten entwickelt. Es ist eine enzyklopädisch angelegte Publikation, die 1955 zum ersten Mal in deutscher Übersetzung erscheint und seitdem in vielfacher Auflage zwei Botschaften im Titel transportiert: Es ist EINE Welt, in der WIR alle leben. So einnehmend diese Formulierung wirkt, beschreibt sie zugleich ein Dilemma, das die kunstwissenschaftliche Forschung zum technischen Bild in den letzten Jahrzehnten vielfach bearbeitet hat: Es gibt nicht nur eine Perspektive auf die Welt. Darstellungen von biologischen, evolutionären Prozessen, physikalischen oder mechanischen Reaktionen können nicht objektiv sein. Wie alle Bilder erzeugen sie den Sinn, den sie illustrieren, auch selbst.
Benjamin Dittrich nähert sich den Illustrationen schwärmerisch, er holt sie aus den Büchern heraus, entfernt die schriftlichen Erklärungen und konzentriert sich auf visuelle Symbole und ihre Beziehungen, auf Farbinszenierungen und Komposition. Er ist damit im klassischen Feld der Malerei und es wundert nicht, dass seine Gemälde und Grafiken eine hohe ästhetische Attraktivität entfalten. Aber es gibt einen irritierenden Unterton. Denn der Ursprung der Motive, das technische Bild, ist stets präsent und tritt in Konkurrenz zur gemalten Fassung. Hier steigen quasi zwei entgegengesetzte Konzepte zur Erkenntnisgewinnung gemeinsam in den Ring: sachliche Illustrationen versus prozessorientierte und ergebnisoffene Malerei. Und eine Erkenntnis setzt sich dabei durch: Dass weder Bilder noch Gedanken objektiv sein können.

Matilda Felix, Kuratorin, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin

english

„The world we live in“ / „Die Welt in der wir leben“
is one of the books that informs Benjamin Dittrich’s visual cosmos. It is, in its essence, an encyclopedic compendium first translated and published in German in 1955. Contained within its title, which remained unchanged through a myriad of editions, are two messages: It is ONE world, which WE all live in. As simple and plausible as this phrase may seem, it nonetheless encapsulates the intrinsic dilemma of the visual depiction of scientific and technological principles, which has been negotiated frequently in art history research in the last decades: There is more than one way of looking at the world. Visualizations of biological or evolutionary processes, of physical or mechanical interaction and reaction, cannot be objective. Like any image, they produce the very meaning they illustrate.

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Übersetzung / Translation: Lukas Holldorf & Kathleen Krol

Zarter Fels
19.4. – 13.5.2018
S.U.S.
19.2. – 10.2.2018
HERBST
7.9. – 24.9.2017

Benjamin Dittrich & Paula Gehrmann

BLACK SUGAR
22.7. – 3.10.2017
LOKALER SUPERHAUFEN
21.10. – 19.11.2016
Geh doch (nach) Reude, du Opfer!
30.7.2016 – 3.9.2017
ZURÜCK ZU DEN LURCHEN
19.3. – 25.4.2015