Selma van Panhuis
A Very Beautiful Golden Orange
„An der Malerei finde ich schön, dass sie ihr eigenes Licht schafft“, sagt Selma van Panhuis und tatsächlich scheinen ihre Bilder eine eigene Leuchtkraft zu haben. Trotzdem braucht jedes Bild auch das Licht von außen sowie einen Raum, in dem wir es betrachten und in seiner Farbe und Stofflichkeit erfahren können. Bei den fragilen und durchscheinenden Bildern von Selma van Panhuis ist dieses Gegenübertreten eine sinnliche Erfahrung, da die Beschaffenheit ihrer Arbeiten durch die vielen unterschiedlichen Stoffe augenscheinlich wichtig ist. Die Freude am Ausprobieren und am Experiment wird offensichtlich. Und die Frage ist naheliegend, wie auch andere Stoffe außer Papier, Leinen oder Holz auf dieses Spiel reagieren. So entwickelt sich mit jedem Fund etwas Neues: Die Verbindung von Farbe, gegebener Oberflächenstruktur und Untergrund verdichtet sich zu einem Bild, das konkret ist, in dem Sinne, dass es keine weiteren Figuren oder Objekte außer sich selbst darstellt. Mehr noch, es verselbstständigt sich bereits im Entstehen. Zahlreiche Schichten von Kreide, Kalk, Pigment oder Wachs durchdringen die Oberfläche und überlagern sich immer und immer wieder. Welche Schicht am Ende vorn oder hinten liegt, ist oft nicht nachvollziehbar. Vielmehr erzeugen diese dünnen Lagen eine Tiefe, die in manchen Momenten eine räumliche Wirkung hat, welche die spärliche Materialität transzendiert. Die Entscheidung, die bereits bestehenden Strukturen der Stoffe zu nutzen, findet sich auch in der Bearbeitung derselben wieder. Die Gravitation gestaltet sozusagen mit, wenn Wasser und verdünnte Farben die Leinwand herunterlaufen und ihre Spuren hinterlassen. Allerdings werden auch diese übermalt und wieder ausgewischt. Tatsächlich bleibt etwas Zartes und Dünnes übrig, nah an der Oberfläche, sie durchdringend und kaum erhaben. Nach dem Studium der Skulptur an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in Den Haag bewegte sich Selma van Panhuis immer weiter in Richtung Malerei, die sie in Leipzig während ihres Meisterschülerstudiums an der Hochschule für Grafik und Buchkunst vertiefte. Der üblichen Ausstellungspraxis der Galerie b2_ entsprechend, hat sie zu ihrer ersten Solo-Show „A Very Beautiful Golden Orange“ als Gastkünstlerin ihre nieder-ländische Kollegin Nicola Kirkaldy eingeladen. Beide vereint der Hintergrund einer skulpturalen Ausbildung und das Interesse an Minimalismus und Abstraktion, sowie der Suche nach der Idealform – bei gleichzeitiger Auflösung derselben. Die Objekte von Nicola Kirkaldy, die auf ihre Art beiläufig und fein wirken, treten in besonderer Weise in Kontakt mit dem Raum, in dem sie stehen. Wenn bei Selma van Panhuis aus zweidimensionalen Bildern räumlich wirkende Arbeiten werden, erscheinen die feinen Skulpturen von Nicola Krikaldy aus bestimmten Blickwinkeln wieder wie flächige Bilder. In „A Very Beautiful Golden Orange“ ist die Vorstellungskraft der Betrachter genauso gefragt wie das Licht, das sich in den vielschichtigen Bildern auf so unterschiedliche Weise bricht und den definiert-undefinierten farblichen FlaÅNchenzusammenkünften ihre eigene Bedeutung verleiht.
Olga Vostretsova, Lea Kontak
Of Shapes and Pockets
“We are forced increasingly to speak of time.” Rosalind E. Krauss, Passages in Modern Sculpture
Im Laufe der Zeit mag sich eine kleine Krakelüre, ein Netz von Rissen auf der Bildoberfläche bilden, ansonsten sind gemalte Bilder statisch. Sie können eine Bewegung darstellen, aber ihre eigne Gestalt bewegt sich dabei nicht. Sie bleiben unveränderlich. Wenn Selma van Panhuis über ihre Arbeit spricht, bewegen sich ihre Hände durch die Luft. Ihre Arbeit, sagt sie, sei eine Art materielles Vortasten, ein quasi im Dunklen immer wieder aufs Neue getätigter Versuch, mit den Möglichkeiten der Malerei einen Raum zu erfassen, den es so gar nicht gibt. Es fällt das Wort “Eingang” und “verschiedene Eingänge finden”. Eine Suche also nach etwas Wiedererkennbarem in unserer nervösen Zeit, oder nach dem, was Adorno an Pop nicht mochte—das vermeintlich Einfache; vielleicht ein Zeitfenster? Jedes Pigment und jeder Farbstoff besitzt eine eigene Deckkraft. Farbstoff hat kleine, und Pigment grobe Teilchen, das Heliosrot blutet stärker aus als andere Rot. Das ist Chemie. Selma van Panhuis’ Bildwelten sind abstrakt, aber auch Begegnungen mit spezifischen Objekten— ein Berg, ein vasenartige Form, und Hände, die jenen der Freskos Fra Angelicos ähneln. Ihre Farbkombinationen, die etwa bei der italienischen Frührennaissance Anleihe nehmen, eröffnen dabei nicht nur “ein intuitives Farbdrama”, sondern auch einen Assoziationsraum des Substanziellen und des Gestischen. Die Verbindung der Farben passiert direkt auf der Leinwand. Ein Rausch? Eine unendliche Konversation, matt und leuchtend. Eine Art Berührung? Das Sehen ist ja etwas tiefsitzendes, etwas muskuläres. Worauf deuten die abgespreizten Hände der Figuren Fra Angelicos hin? Auf eine Anwesenheit? Of Shapes and Pockets ist eine Suche nach den allgemeinsten der Strukturen. Wieviel oder wie wenig Dynamik ist notwendig, damit ein gemaltes Bild zu einem gemalten Bild wird? Das sprachlose Kalkblau, das selbst kaum zu mischen ist, das Manische, das archaische Elfenbeinschwarz, die Spur, oder der Schatten, der Zufall—was werden die Betrachter in diesem Augenblick in dem unbeweglichen Bild sehen? John Berger hat einmal gesagt, dass gerade der Untergrund der Zeitlosigkeit in der Malerei schon immer einen Ort der Zuflucht und der Anziehung dargestellt hat. Von irgendwoher muss die Energie ja kommen.
Lina Leonore Morawetz
Kindred by Choice
For this exhibition I invited seven fellow painters living and working in Leipzig. I chose to show works that articulate a relation to abstraction and objecthood. The artists on show are strongly rooted in the traditional techniques and materials of painting, as well as in its historical context. We follow different means, work from different motivations, but are all open and curiously concerned with the questions and possibilities of painting today. There are several different formal interactions between the selected works, sometimes occurring on the verge of figuration like in the works of Katharina Schilling or Rebekka Gnädinger. For example, in Seifen 2013 from Katharina Schilling, one finds references of pop-art. The Neighborhood from Rebekka Gnädinger, on the other hand, reminds one of cubist paintings from Fernand Léger or Sonia Delaunay, as well as colorful African textiles. A similar but less figurative approach is seen in the work of Henriette Grahnert and Maria Schumacher, where the abstract forms and ompositions respectively form metaphors for daily life or serve as a self-reference to the act of painting. The colors and forms play their part on the stage of the canvas. The work Keeping Secrets 4 from Henriette Grahnert, for example, points to the problems that come up in personal relationships – mocking the earnestness and mysticism ofthe abstract expressionists along the way. But by its formal qualities, Henriette Grahnert’s work also relates to the works of Zora Berweger or Heide Nord, in which such references to the abstract art of the postwar era are applied in different ways. For example, in the minimalist, almost metaphysical work ohne Titel (Schilder) from Zora Berweger – two pieces, one black and one white, of similar form but with different surfaces are leaning against the wall. Here the qualities are foremost sculptural and material. In her contribution, Heide Nord deconstructs this minimalist approach in Aussicht auf Unsterblichkeit I, reassembling it with parts from traditional painting material, adding additional light as though she doesn’t want to rely on its promised lucidity on the metaphysical plane. In the exhibition, the viewer can perceive how different influences and backgrounds of the artists function as a cross-fertilization onto and into each others’ work, emphasized by the tensions and connections, both formal and conceptual, that are generated when the individual works are shown together.
LOOSE THOUGHTS
Green and Pink; these are the colors that Leipzig brings out the most. The green is not always fresh. Sometimes it has yellow in it, it can be muddy, a bit dusty and turn into this unnatural emerald green: the poisonous copper that has a fair hiding power. The pink changes in accordance with the green from a glowing magenta towards the old rose of a thick heavy carpet.
I noticed that one common factor of the artists that I have come across since I moved to Leipzig in 2010, is that they are real “workhorses”. They serve their time in the studio as a job, as a daily routine.To deal with painting is not an easy thing, you need your own hours, engage in reflection, fixate on your quest and be open to questions of painting at the same time.
For me they all search for a certain kind of space, a freedom, a depth that lies in the common and the personal but is connected to a craftsmanship in art and a both intuitive and conceptual debate with art and its historical references and predecessors. An ambiguous and fluid way of always returning to painting as a discourse and language.
The tendencies in painting in Leipzig are pointing towards different forms of abstraction, something which can’t be denied is happening all over the place in the contemporary art world. I do think that there is something that sets these Leipziger artists apart, however - their immersion in the materials and the ambitious way to work through these materials.
There are similarities in the use of color, in the references and the importance of materiality. With different approaches, leaving the formal similarities as an adhesive surface to connect us all. I think this connection goes deeper, not necessarily at a conceptual level or a formal one, but maybe just now having Leipzig as the center of our working life.
Selma van Panhuis