Hubert Becker

Die vorübergehende »Verräumlichung« der Bilder

»Hubert Beckers Bildwerke hinterlassen beim Betrachter die Empfindung einer Verlässlichkeit« schreibt Heinrich Miess über dessen Arbeiten*, doch keines seiner fotografierten Motive zeigt das, was es zu sein vorgibt: Was nach einer Zeichnung von Schuhen aussieht, ist in Wirklichkeit ein weiß bemaltes und überzeichnetes Paar Schuhe, die Atelieransicht Gerhard Richters ein gebautes Modell nach einer eigenen Fotografie, der Blossfeld nur Knetgummi.
Becker spielt mit unserer fälschlichen Annahme, dass ein Abbild eines Kunstwerkes im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit auch dasselbe zeigt. Dabei arbeitet er selbst in dem Bewusstsein, dass wir uns schon lange in einem Prozess visueller Wiederverwertungsschleifen von Ästhetik und Bedeutung befinden. Becker reflektiert (und erschafft) für sich Kunst, in dem er den Bildkosmos dessen, was ihn scheinbar zufällig beschäftigt, als Modell nachbaut, abfotografiert und anschließend wieder zerstört. Die Ergebnisse sind Fotografien, die gleichermaßen bewegen wie irritieren.
Das Ausgangsmaterial Beckers ist grundsätzlich eine Abbildung, ausgewählt nach inhaltlicher Bedeutung, ästhetischer Qualität und biografischem Zufall: eine Ansicht seines Heimatdorfes Stachelau, ein Zeitungsfoto des Planeten Eros, eigene Fotografien oder Reproduktionen von Kunstwerken. In manchmal jahrelangen Prozessen entstehen seine Werke in einer Mischung aus handwerklicher Präzision und formaler Unschärfe. Ihren Trug wollen sie dabei nicht verleugnen.
Die Arbeit CHE zeigt Guevaras bekannte Silhouette in schwarzer Kleidung auf weißem Doppelbett gelegt, spiegelverkehrt zum »Original« schaut der Revolutionär aus dem bürgerlichen Schlafzimmer.
Mit seiner Vorgehensweise eröffnet sich Becker ein weites Beschäftigungsfeld, dessen Spektrum er noch lange nicht durch dekliniert hat.
Mit LA CONDITION HUMAINE, dem Titel einer neuen Arbeit und zugleich dem Titel der Ausstellung, bezieht sich Becker auf das gleichnamige Gemälde von Réné Magritte aus dem Jahre 1933. Wie Magritte zwingt uns Becker vorgefertigte Ideen der Wirklichkeit zu überdenken und unsere Denkgewohnheiten zu durchbrechen.
Mit der Ausstellung zeigt Galerie b2_ eine Gesamtschau der seit 1992 entstandenen Arbeiten Hubert Beckers, die uns vor allem eines vor Augen führt: Unser Bewusstsein ist ein Konstrukt.

* DIE BILDFINDUNG IM NÄCHSTEN UMKREIS, Heinrich Miess, S./P. 49, in: SHOT STORIES, Hrg./ Publ. Babette Richter, Richter-Brückner Verlag Köln, 2005

Michael Grzesiak

english

The momentary creation of space within pictures

»Hubert Becker's pictures leave the feeling of reliability in the observer« writes Heinrich Miess about his works*, but none of Hubert Becker's photographed motives show what they pretend to be: What looks like a drawing of shoes is actually a real pair of shoes, painted white and drawn over. The studio scene from Gerhard Richter is a built model after his own photograph, the Blossfeld only modelling clay.
Becker plays with our mistaken assumption that in times of mechanical reproduction, a depiction of a piece of art is showing as such. Thereby he works with the awareness that we are well situated in our process of visually recycling relevance and aesthetics. Becker reflects (and creates) art for himself by rebuilding a photo, of what seems to incidentally matter to him, as a model, taking a photo of it and finally destroying it. The results are photographs that equally move and irritate.
Becker’s source material is basically a depiction chosen from textual meaning, aesthetic quality and biographic chance: an image of his hometown Stachelau, a newspaper photo of the planet Eros, his own photographs or reproductions of art work. In sometimes long lasting processes his works develop in a mixture of precise handwork and formal haziness. By doing so they don't deny their illusion.
His work CHE shows Guevara's well known silhouette laid in black clothes on a white twin bed. Mirror-inverted to the »original«, the revolutionist is looking to you out of a middle-class bedroom.
With his strategy, Becker opens himself to a wide area of engagement, whose spectrum he has nowhere near declined yet.
With LA CONDITION HUMAINE, the title of a new piece as well as the exhibition, Becker is referring to a same-named painting of Réné Magritte from the year 1933. Like Magritte, Hubert Becker forces us to reconsider predetermined ideas of reality and to break through our habits of thinking.
With this exhibition, Galerie b2_ shows a synopsis of Hubert Becker’s work developed since 1992. It's an exhibition which visualizes especially one thing: our consciousness is a construct.

Translation Anna Gehlen